Donnerstag, 21. April 2011

Der Weg zur erneuerbaren Energie: Teil 3 und Schluss – Ökostrom

Greenwashing oder seriöse Energiewende? Fast jeder Energieversorger und auch die vier Atomkonzerne bieten Ökostrom an. Doch was steckt hinter den Labels und Zertifikaten? Im letzten Teil meiner Stromserie stelle ich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ökostromangeboten und ihre Vor- und Nachteile vor.

In den Tagen nach dem GAU in Fukushima stieg die Zahl der ÖkostromkundInnen rasant an. Der Ökostromanbieter Lichtblick meldete insgesamt 900 Wechsel pro Tag und bei Greenpeace Energy hat sich Anzahl der Neukunden verzehnfacht. Aber dieses Wachstum ist auch längerfristig zu beobachten. Der Absatz von Ökostrom an Gewerbe- und Haushaltskunden stieg von 2007 bis 2008 um rund 260 Prozent.

Keine eindeutige Definition
Ein zentrales Problem ist jedoch, dass es bis heute keine einheitliche Definition von Ökostrom gibt. Das Wort ist rechtlich nicht geschützt wie beispielsweise der Begriff »Bio« bei Lebensmitteln. Generell gilt zwar, dass Ökostrom aus erneuerbaren Energien stammen soll, aber fraglich ist beispielsweise, ob der Energieversorger auch Neuanlagen bauen soll oder ob auch Strom aus Kräftwärmekopplung dazu zählt.

Das Heizkraftwerk Berlin-Mitte setzt Kraftwärmekopplung ein. (Foto von Mazbln)
Aufgrund der verschiedenen Definitionen haben sich mehrere Label etabliert, die die Stromtarife der Energieversorger klassifizieren. Doch die Vielzahl der Labels sorgt bei den VerbraucherInnen oftmals für mehr Verwirrung als Durchblick. Um Klarheit zu schaffen werde ich die wichtigsten und bekanntesten Labels hier vorstellen.

Renewable Energy Certificate System (RECS)
Das REC-System weist die Herkunft des produzierten Stroms nach, bietet aber keine Möglichkeit um Ökostromprodukte und -tarife von Stromanbietern zu zertifizieren, da Stromversorger Strom nicht notwendigerweise selbst gewinnen müssen, sondern ihn auch an der Strombörse kaufen können. Mit einem RECS-Zertifikat wird bestätigt, wie Strom erzeugt wurde. Wenn ein Energieversorger eine Megawattstunde Strom aus erneuerbaren Energien produziert, erhält er dafür ein RECS-Zertifikat. Dabei zählen nach der RECS-Definition zum Ökostrom unter anderem Biomasse, Wind- oder Wasserkraft, nicht aber Kraftwärmekopplung. Da das REC-System in 15 europäischen Ländern verwendet wird, ist Ökostrom über Grenzen hinweg vergleichbar und handelbar.

Genau hier gehen aber die Probleme los. Denn ein deutscher Energieversorger kann seinen Kohle- und Atomstrom zu Ökostrom umdeklarieren. Er produziert weiterhin konventionellen Strom, kauft aber die gleiche Menge RECS-zertifizierten Strom, beispielsweise von alten norwegischen Wasserkraftwerken. Diese zertifizierte Menge wird dann als Ökostrom angeboten und den Aufpreis zahlt der/die Kunde/in. Solange das Angebot an RECS-Ökostrom in Europa wesentlich höher ist als die Nachfrage – was aktuell der Fall ist –, ändert sich am Strommix nichts. Somit ist dieses Geschäftsgebaren klares Greenwashing und wird zurecht als Mogelpackung bezeichnet. Ein Beispiel für einen solchen Anbieter ist die FlexStrom AG mit ihrem Tarif Ökoflex. Sie verlangt einen Aufpreis von rund einem halben Cent pro Kilowattstunde für RECS-Ökostrom, was beim Verbrauch einer dreiköpfigen Familie von 3500 Kilowattstunden immerhin 17,50 Euro entspricht. Dieser Strom stammt aus skandinavischen Altanlagen. Aufgrund der Kritik an dieser Praxis haben mehrere Verbände und Organisationen andere Labels entwickelt, bei denen die Veränderung des Strommix im Vordergrund steht.

ok-power
Das ok-power-Siegel wird vom Verein EnergieVision verliehen, der vom Öko-Institut, dem WWF Deutschland und der Verbraucherzentrale NRW zu diesem Zweck gegründet wurde. Derart zertifizierter Ökostrom stammt mindestens zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien und höchstens zur Hälfte aus effizienten Kraftwärmekopplungsanlagen. Außerdem muss ein Drittel des Strom aus Anlagen stammen, die nicht älter als sechs Jahre sind, ein weiteres Drittel aus Anlagen, die nicht älter als zwölf Jahre sind, und das übrige Drittel darf aus älteren Anlagen kommen. Dabei darf der Strom auch über RECS-Zertifikaten gekauft werden, wenn die Ursprungsanlagen die Kriterien erfüllen. Alternativ kann sich der Energieversorger dazu verpflichten den Aufpreis für den Ökostrom in Neuanlagen zu investieren. Die grundlegende Idee hinter diesem Siegel ist, dass die Energieversorger kontinuierlich in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren und somit die Stromversorgung nach und nach umgebaut wird. An dem Label wird kritisiert, dass nur einzelne Angebote zertifiziert werden, nicht aber das gesamte Unternehmen betrachtet wird. Auch einzelne Tarife der Atomkonzerne E.ON (E wie einfach) und Vattenfall sind mit dem ok-power-Label zertifiziert, obwohl diese Unternehmen klar auf Atom- und Kohlestrom setzen.

TÜV Süd
Ähnlich wie das ok-power-Label funktioniert auch die Zertifizierung bei der TÜV Süd AG. Es wird lediglich ein bestimmtes Ökostromprodukt und nicht das ganze Unternehmen betrachtet. Außerdem gibt es drei verschiedene Zertifikate je nach Definition von Ökostrom und Neuanlageninvestition.
EE01: Der Strom stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien und ein Viertel der Strommenge muss von Anlagen kommen, die nicht älter als drei Jahre sind. Der Aufpreis auf den Ökostrom muss zu zwei Dritteln in Neuanlagen investiert werden. Dieses Siegel trägt beispielsweise E.ON (E wie einfach).
EE02: Auch hier muss der Strom vollständig aus erneuerbaren Energien stammen und der Aufpreis muss ebenso investiert werden. Allerdings erfolgt die Einspeisung der Stroms ins Netz zeitgleich und nicht mengengleich. Somit muss immer genügend Ökostrom vorhanden sein. Dies gilt auch für Spitzenlasten. Es genügt nicht – wie bei der mengengleichen Einspeisung – die verbrauchte Strommenge im Jahresmittel zu produzieren. Beispiele für dieses Siegel sind die Stadtwerke Trier und Main-Kinzig.
UE01: Hier stammt der Strom zu mindestens 50 Prozent aus erneuerbaren Energien und höchstens 50 Prozent aus Kraftwärmekopplung. Ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien muss von Anlagen kommen, die höchsten drei Jahre alt sind. Außerdem muss der Strom zeitgleich ins Netz eingespeist werden. Des Weiteren müssen ebenfalls zwei Drittel des Preisaufschlags für Investitionen in Neuanlagen verwendet werden.

TÜV Nord
Auch die TÜV Nord AG zertifiziert Ökostromprodukte. Genauso wie beim ok-power-Label muss der Strom mindestens zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen und höchstens zu 50 Prozent aus Kraftwärmekopplung stammen. Der Energieversorger verpflichtet sich, den Aufpreis für den Ökostrom nachweislich für die Investition von Neuanlagen zu verwenden. Diese Kriterien beziehen sich im Gegensatz zu denen von ok-power und TÜV Süd auf das gesamte Unternehmen, wodurch die zentralen Probleme der beiden Siegel gelöst werden. Greenpeace energy und die EWS Schönau sind zwei Beispiele für Energieversorger, die dieses Label tragen.

Grüner Strom Label (GSL)
Das GSL wird von einem Zusammenschluss verschiedener Verbände wie NABU oder BUND verliehen. Es gibt zwei verschiedene Varianten des Siegels: Für GSL-Silber muss der Energieversorger mindestens die Hälfte des Stroms durch erneuerbare Energien produzieren, der Rest kann durch Kraftwärmekopplung erfolgen. GLS-Gold setzt hingegen die gesamte Produktion durch erneuerbare Energien voraus. Außerdem verpflichtet sich der Energieversorger einen Aufpreis von mindestens einem Cent pro Kilowattstunde zu erheben, der in Neuanlagen investiert werden muss. Das GSL wird wie auch die Label von ok-power und TÜV Süd für einzelne Ökostromprodukte und nicht an Unternehmen verliehen. Allerdings können durch eine Klausel Unternehmen ausgeschlossen werden, die sich »allgemein negativ« gegenüber erneuerbaren Energien verhalten. Aus diesem Grund sind die Atomkonzerne wohl davon ausgeschlossen. Zu den zertifizierten Produkten zählen größtenteils Angebote von Stadtwerken, aber auch bundesweite Anbieter wie Naturstrom.

Atomausstieg selber machen
Hierbei handelt es sich um kein Label, sondern um eine Kampagne zahlreicher Umweltschutzverbände für die vier Ökostromproduzenten EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom. Diese vier Energieversorger sind rechtlich unabhängig von Unternehmen, die Atom- oder Kohlestrom produzieren oder mit diesem handeln. Dies unterscheidet sie von vielen Stadtwerken, die sich zwar für die Energiewende stark machen, jedoch oftmals Verflechtungen mit den Atomkonzernen haben. Die unabhängigen Anbieter erzeugen Strom mindestens zur Hälfte aus erneuerbaren Energien und den Rest aus Kraftwärmekopplung mit Erdgas.

Vergleichsportale
Natürlich ist der Stromwechsel auch immer eine Frage des Geldes. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden zahlt 2011 im Schnitt immerhin 873,24 Euro pro Jahr für Strom. Um im Tarif- und Labeldschungel den Überblick zu bewahren, gibt es mehrere Vergleichsportale, die von der Stiftung Warentest 2008 bewertet wurden. Dabei haben die vier besten Anbieter – Verivox, Tarifvergleich, Toptarif und Wer-ist-billiger –  zumindest auch eine Funktion um Ökostromprodukten zu vergleichen. Dabei werden auch die jeweiligen Labels des Produktes angezeigt. Ebenso findet sich bei der Kampagne Atomausstieg selber machen ein Tarifvergleich.

Solaranlage in Todmorden (Großbritannien)
(Quelle: Solar panels on building near Todmorden station car park (Phil Champion) / CC BY-SA 2.0)
Neben dem Stromwechsel zu einem Ökostromanbieter besteht besonders für Hausbesitzer die Möglichkeit selbst Strom zu produzieren und ins Netz einzuspeisen, wofür sich vor allem die Solarenergie eignet. Weitere Infos dazu findet man beispielsweise hier oder hier.

Da sich die vier Atomkonzerne laut einer kürzlich veröffentlichen Greenpeace-Studie weigern in den Umbau der Stromversorgung und damit die Energiewende blockieren, müssen die VerbraucherInnen Druck auf sie ausüben. Dazu gehört neben politischem Druck auch wirtschaftlicher Druck durch den Wechsel zu einem Stromanbieter, der es ernst meint mit dem Umbau der Energieversorgung.