Donnerstag, 21. April 2011

Der Weg zur erneuerbaren Energie: Teil 3 und Schluss – Ökostrom

Greenwashing oder seriöse Energiewende? Fast jeder Energieversorger und auch die vier Atomkonzerne bieten Ökostrom an. Doch was steckt hinter den Labels und Zertifikaten? Im letzten Teil meiner Stromserie stelle ich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ökostromangeboten und ihre Vor- und Nachteile vor.

In den Tagen nach dem GAU in Fukushima stieg die Zahl der ÖkostromkundInnen rasant an. Der Ökostromanbieter Lichtblick meldete insgesamt 900 Wechsel pro Tag und bei Greenpeace Energy hat sich Anzahl der Neukunden verzehnfacht. Aber dieses Wachstum ist auch längerfristig zu beobachten. Der Absatz von Ökostrom an Gewerbe- und Haushaltskunden stieg von 2007 bis 2008 um rund 260 Prozent.

Keine eindeutige Definition
Ein zentrales Problem ist jedoch, dass es bis heute keine einheitliche Definition von Ökostrom gibt. Das Wort ist rechtlich nicht geschützt wie beispielsweise der Begriff »Bio« bei Lebensmitteln. Generell gilt zwar, dass Ökostrom aus erneuerbaren Energien stammen soll, aber fraglich ist beispielsweise, ob der Energieversorger auch Neuanlagen bauen soll oder ob auch Strom aus Kräftwärmekopplung dazu zählt.

Das Heizkraftwerk Berlin-Mitte setzt Kraftwärmekopplung ein. (Foto von Mazbln)
Aufgrund der verschiedenen Definitionen haben sich mehrere Label etabliert, die die Stromtarife der Energieversorger klassifizieren. Doch die Vielzahl der Labels sorgt bei den VerbraucherInnen oftmals für mehr Verwirrung als Durchblick. Um Klarheit zu schaffen werde ich die wichtigsten und bekanntesten Labels hier vorstellen.

Renewable Energy Certificate System (RECS)
Das REC-System weist die Herkunft des produzierten Stroms nach, bietet aber keine Möglichkeit um Ökostromprodukte und -tarife von Stromanbietern zu zertifizieren, da Stromversorger Strom nicht notwendigerweise selbst gewinnen müssen, sondern ihn auch an der Strombörse kaufen können. Mit einem RECS-Zertifikat wird bestätigt, wie Strom erzeugt wurde. Wenn ein Energieversorger eine Megawattstunde Strom aus erneuerbaren Energien produziert, erhält er dafür ein RECS-Zertifikat. Dabei zählen nach der RECS-Definition zum Ökostrom unter anderem Biomasse, Wind- oder Wasserkraft, nicht aber Kraftwärmekopplung. Da das REC-System in 15 europäischen Ländern verwendet wird, ist Ökostrom über Grenzen hinweg vergleichbar und handelbar.

Genau hier gehen aber die Probleme los. Denn ein deutscher Energieversorger kann seinen Kohle- und Atomstrom zu Ökostrom umdeklarieren. Er produziert weiterhin konventionellen Strom, kauft aber die gleiche Menge RECS-zertifizierten Strom, beispielsweise von alten norwegischen Wasserkraftwerken. Diese zertifizierte Menge wird dann als Ökostrom angeboten und den Aufpreis zahlt der/die Kunde/in. Solange das Angebot an RECS-Ökostrom in Europa wesentlich höher ist als die Nachfrage – was aktuell der Fall ist –, ändert sich am Strommix nichts. Somit ist dieses Geschäftsgebaren klares Greenwashing und wird zurecht als Mogelpackung bezeichnet. Ein Beispiel für einen solchen Anbieter ist die FlexStrom AG mit ihrem Tarif Ökoflex. Sie verlangt einen Aufpreis von rund einem halben Cent pro Kilowattstunde für RECS-Ökostrom, was beim Verbrauch einer dreiköpfigen Familie von 3500 Kilowattstunden immerhin 17,50 Euro entspricht. Dieser Strom stammt aus skandinavischen Altanlagen. Aufgrund der Kritik an dieser Praxis haben mehrere Verbände und Organisationen andere Labels entwickelt, bei denen die Veränderung des Strommix im Vordergrund steht.

ok-power
Das ok-power-Siegel wird vom Verein EnergieVision verliehen, der vom Öko-Institut, dem WWF Deutschland und der Verbraucherzentrale NRW zu diesem Zweck gegründet wurde. Derart zertifizierter Ökostrom stammt mindestens zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien und höchstens zur Hälfte aus effizienten Kraftwärmekopplungsanlagen. Außerdem muss ein Drittel des Strom aus Anlagen stammen, die nicht älter als sechs Jahre sind, ein weiteres Drittel aus Anlagen, die nicht älter als zwölf Jahre sind, und das übrige Drittel darf aus älteren Anlagen kommen. Dabei darf der Strom auch über RECS-Zertifikaten gekauft werden, wenn die Ursprungsanlagen die Kriterien erfüllen. Alternativ kann sich der Energieversorger dazu verpflichten den Aufpreis für den Ökostrom in Neuanlagen zu investieren. Die grundlegende Idee hinter diesem Siegel ist, dass die Energieversorger kontinuierlich in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren und somit die Stromversorgung nach und nach umgebaut wird. An dem Label wird kritisiert, dass nur einzelne Angebote zertifiziert werden, nicht aber das gesamte Unternehmen betrachtet wird. Auch einzelne Tarife der Atomkonzerne E.ON (E wie einfach) und Vattenfall sind mit dem ok-power-Label zertifiziert, obwohl diese Unternehmen klar auf Atom- und Kohlestrom setzen.

TÜV Süd
Ähnlich wie das ok-power-Label funktioniert auch die Zertifizierung bei der TÜV Süd AG. Es wird lediglich ein bestimmtes Ökostromprodukt und nicht das ganze Unternehmen betrachtet. Außerdem gibt es drei verschiedene Zertifikate je nach Definition von Ökostrom und Neuanlageninvestition.
EE01: Der Strom stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien und ein Viertel der Strommenge muss von Anlagen kommen, die nicht älter als drei Jahre sind. Der Aufpreis auf den Ökostrom muss zu zwei Dritteln in Neuanlagen investiert werden. Dieses Siegel trägt beispielsweise E.ON (E wie einfach).
EE02: Auch hier muss der Strom vollständig aus erneuerbaren Energien stammen und der Aufpreis muss ebenso investiert werden. Allerdings erfolgt die Einspeisung der Stroms ins Netz zeitgleich und nicht mengengleich. Somit muss immer genügend Ökostrom vorhanden sein. Dies gilt auch für Spitzenlasten. Es genügt nicht – wie bei der mengengleichen Einspeisung – die verbrauchte Strommenge im Jahresmittel zu produzieren. Beispiele für dieses Siegel sind die Stadtwerke Trier und Main-Kinzig.
UE01: Hier stammt der Strom zu mindestens 50 Prozent aus erneuerbaren Energien und höchstens 50 Prozent aus Kraftwärmekopplung. Ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien muss von Anlagen kommen, die höchsten drei Jahre alt sind. Außerdem muss der Strom zeitgleich ins Netz eingespeist werden. Des Weiteren müssen ebenfalls zwei Drittel des Preisaufschlags für Investitionen in Neuanlagen verwendet werden.

TÜV Nord
Auch die TÜV Nord AG zertifiziert Ökostromprodukte. Genauso wie beim ok-power-Label muss der Strom mindestens zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen und höchstens zu 50 Prozent aus Kraftwärmekopplung stammen. Der Energieversorger verpflichtet sich, den Aufpreis für den Ökostrom nachweislich für die Investition von Neuanlagen zu verwenden. Diese Kriterien beziehen sich im Gegensatz zu denen von ok-power und TÜV Süd auf das gesamte Unternehmen, wodurch die zentralen Probleme der beiden Siegel gelöst werden. Greenpeace energy und die EWS Schönau sind zwei Beispiele für Energieversorger, die dieses Label tragen.

Grüner Strom Label (GSL)
Das GSL wird von einem Zusammenschluss verschiedener Verbände wie NABU oder BUND verliehen. Es gibt zwei verschiedene Varianten des Siegels: Für GSL-Silber muss der Energieversorger mindestens die Hälfte des Stroms durch erneuerbare Energien produzieren, der Rest kann durch Kraftwärmekopplung erfolgen. GLS-Gold setzt hingegen die gesamte Produktion durch erneuerbare Energien voraus. Außerdem verpflichtet sich der Energieversorger einen Aufpreis von mindestens einem Cent pro Kilowattstunde zu erheben, der in Neuanlagen investiert werden muss. Das GSL wird wie auch die Label von ok-power und TÜV Süd für einzelne Ökostromprodukte und nicht an Unternehmen verliehen. Allerdings können durch eine Klausel Unternehmen ausgeschlossen werden, die sich »allgemein negativ« gegenüber erneuerbaren Energien verhalten. Aus diesem Grund sind die Atomkonzerne wohl davon ausgeschlossen. Zu den zertifizierten Produkten zählen größtenteils Angebote von Stadtwerken, aber auch bundesweite Anbieter wie Naturstrom.

Atomausstieg selber machen
Hierbei handelt es sich um kein Label, sondern um eine Kampagne zahlreicher Umweltschutzverbände für die vier Ökostromproduzenten EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom. Diese vier Energieversorger sind rechtlich unabhängig von Unternehmen, die Atom- oder Kohlestrom produzieren oder mit diesem handeln. Dies unterscheidet sie von vielen Stadtwerken, die sich zwar für die Energiewende stark machen, jedoch oftmals Verflechtungen mit den Atomkonzernen haben. Die unabhängigen Anbieter erzeugen Strom mindestens zur Hälfte aus erneuerbaren Energien und den Rest aus Kraftwärmekopplung mit Erdgas.

Vergleichsportale
Natürlich ist der Stromwechsel auch immer eine Frage des Geldes. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden zahlt 2011 im Schnitt immerhin 873,24 Euro pro Jahr für Strom. Um im Tarif- und Labeldschungel den Überblick zu bewahren, gibt es mehrere Vergleichsportale, die von der Stiftung Warentest 2008 bewertet wurden. Dabei haben die vier besten Anbieter – Verivox, Tarifvergleich, Toptarif und Wer-ist-billiger –  zumindest auch eine Funktion um Ökostromprodukten zu vergleichen. Dabei werden auch die jeweiligen Labels des Produktes angezeigt. Ebenso findet sich bei der Kampagne Atomausstieg selber machen ein Tarifvergleich.

Solaranlage in Todmorden (Großbritannien)
(Quelle: Solar panels on building near Todmorden station car park (Phil Champion) / CC BY-SA 2.0)
Neben dem Stromwechsel zu einem Ökostromanbieter besteht besonders für Hausbesitzer die Möglichkeit selbst Strom zu produzieren und ins Netz einzuspeisen, wofür sich vor allem die Solarenergie eignet. Weitere Infos dazu findet man beispielsweise hier oder hier.

Da sich die vier Atomkonzerne laut einer kürzlich veröffentlichen Greenpeace-Studie weigern in den Umbau der Stromversorgung und damit die Energiewende blockieren, müssen die VerbraucherInnen Druck auf sie ausüben. Dazu gehört neben politischem Druck auch wirtschaftlicher Druck durch den Wechsel zu einem Stromanbieter, der es ernst meint mit dem Umbau der Energieversorgung.

Samstag, 16. April 2011

Der Weg zur erneuerbaren Energie: Teil 2 – Strommarkt

Trotz der Liberalisierung des 270 Milliarden Euro Umsatz schweren Strommarktes stammen 80 Prozent des Strom von den vier Atomkonzernen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Gleichzeitig sind die Strompreis seit 2000 kontinuierlich gestiegen. Nachdem ich mich vergangene Woche mit den Hintergründe der Energieerzeugung beschäftigt habe, werde ich in diesem Post den Strommarkt analysieren.

Insgesamt 290 Kraftwerke mit einer Leistung von mindestens 100 Megawatt und eine unüberschaubare Anzahl kleinerer Anlagen erzeugen den Strom in Deutschland, der im Wesentlichen fast zur Hälfte von der Industrie und zu je einem Viertel von Privathaushalten und der Dienstleistungsbranche verbraucht wird.

Der monopolisierte Strommarkt
Durch die Liberalisierung von 1998 hat sich der Strommarkt in seinen rechtlichen Grundstrukturen geändert. Zuvor war der gesamte Strommarkt – von der Erzeugung über den Transport bis zum Endverbraucher – durch regionale und kommunale Monopole gekennzeichnet. Dabei waren die regionalen Anbieter für die Hochspannungsleitungen und Großkraftwerke verantwortlich, während die kommunalen Stadtwerke im Rahmen der Daseinsvorsorge die Städte und Gemeinden in ihrem Umkreis belieferten, wobei beide über Beteiligungen und Tochterunternehmen miteinander verflochten waren und sind. Diese Regelungen wurden erstmals 1935 durch das Energiewirtschaftsgesetz erlassen, das sich in seinen Grundzügen bis zur Novelle von 1998 nicht wesentlich verändert hat.

Strommast in Sachsen (Bild von RobbyBer)

Liberalisierung mit Fehlstart
Die Europäische Union erließ 1996 eine Richtlinie, in der die Mitgliedsstaaten zur Liberalisierung der nationalen Energiemärkte verpflichtet wurden. Daraufhin änderte der Bundestag das Energiewirtschaftsgesetz, welches 1998 in seiner neuen Fassung in Kraft trat. Die Grundidee der Liberalisierung ist, dass die vier Netzbetreiber weiterhin für Verteilung und Transport des Stroms zuständig sind, da der Netzbetrieb ein natürliches Monopol darstellt. Sie müssen aber nun allen anderen Energieversorgern einen diskriminierungsfreien Zugang zu diesem Netz ermöglichen. Somit muss der gesamte produzierte Strom eines Energieversorgers vom Netzbetreiber zum gleichen Entgelt ins Netz eingespeist werden. Dabei verzichtete die schwarz-gelbe Bundesregierung auf eine Regulierung, so dass die Entgelte von den Netzbetreibern relativ frei festgelegt werden konnte. Dies führte zu überhöhten Entgelten und schränkte den Wettbewerb massiv ein. Erst 2005 wurde die Regulierung durch die Bundesnetzagentur von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt. Eine weitere Möglichkeit wäre die Verstaatlichung des Stromnetzes gewesen, wie es beispielsweise in den Niederlanden und in Dänemark der Fall ist.

Die vier Netzbetreiber haben sich das Bundesgebiet folgendermaßen aufgeteilt:

Regelzonen der Netzbetreiber (Karte von Ice gixxe)

Das niederländische Staatsunternehmen TenneT kaufte 2009 das Netz von E.ON und das belgische Unternehmen Elia System Operator 2010 das von Vattenfall. In den beiden anderen Regionen befinden sich die Netze weiterhin im Eigentum von RWE und EnBW.

Durch den freien Netzzugang herrscht in den Bereichen Erzeugung, Handel und Vertrieb des Stroms Wettbewerb zwischen Energieversorgern und Händlern. Auch die kommunalen Stadtwerke müssen sich nun gegen Konkurrenten behaupten, allerdings sind sie für die Grundversorgung vor Ort zuständig. Somit ist jeder Haushalt bei seinem Stadtwerk Kundin/Kunde, solange sie/er nicht den Stromanbieter wechselt.

Was passiert, wenn ich den Stromanbieter wechsle?
Wenn ein Haushalt den Stromanbieter wechselt, ändert sich für die/den Kunde/in erst einmal nichts, außer dass die Stromrechnung nun vom neuen Anbieter kommt. Doch was passiert im Hintergrund? Das werde ich anhand meines eigenen Wechsels von meinem Mainzer Grundversorger Entega zum unabhängigen Ökostromanbieter Naturstrom erläutern. Die Unternehmen sind austauschbar und dienen nur der Veranschaulichung.
  1. Die Entega kauft von ihrem Mutterkonzern HEAG Südhessische Energie AG (HSE) die Menge Strom, die ich voraussichtlich verbrauchen werde. Der von der Entega bezogene Strom stammt dabei zu 34 Prozent aus fossilen und zu 66 Prozent aus regenerativen Energieträgern.
  2. Die HSE speist den von der Entega gekauften Strom ins Netz von RWE ein und bezahlt dafür ein Netzentgelt an RWE.
  3. RWE ist für die Verteilung und den Transport des Stroms zuständig. Sie werden den Strom möglichst kostengünstig zu mir transportieren wollen und sind deshalb bestrebt die Transportstrecke zu minimieren. Folglich werde ich meinen Strom wahrscheinlich von den Kraftwerken Mainz-Wiesbaden erhalten. Woher mein physikalischer Strom genau kommt, obliegt allein dem Netzbetreiber RWE, der in diesem Bereich der Lieferkette Monopolist ist. Den von der HSE für mich produzierten Strom verteilt der Netzbetrieber ebenfalls nach seinem Belieben.
  4. Ich bezahle der Entega den von mir bezogenen Strom und die Entega bezahlt die HSE.
Jetzt wechsle ich den Anbieter und beauftrage Naturstrom mich mit Strom zu beliefern.
  1. Naturstrom kündigt meinen Vertrag mit der Entega. Somit kauft die Entega weniger Strom bei der HSE ein, die wiederum weniger Strom produziert.
  2. Naturstrom kauft nun die entsprechende Menge Strom für mich. Einen Teil des Strom produziert die Naturstrom AG mit ihren eigenen Anlagen, einen Teil kauft sie von anderen Kraftwerken. Letztendlich stammt der Strom zu 72 Prozent aus Wasserkraft und zu 28 Prozent aus Windkraft. Somit muss durch meinen Wchsel mehr Strom aus regenerativen Energien produziert werden als zuvor.
  3. Beim Netzbetreiber bleibt alles beim alten, da er ja nicht vom Wettbewerb betroffen ist. Physikalisch werde ich also weiterhin meinen Strom von den hiesigen Stadtwerken beziehen. Naturstrom speist seinen Strom deutschlandweit ins Netz ein und bezahlt dem jeweiligen Netzbetreiber die entsprechenden Entgelte.
  4. Ich bezahle meine Stromrechnung nun bei Naturstrom.
Durch meinen Wechsel hat sich somit am physikalischen Bezug nichts geändert, da dieser nicht dem Wettbewerb unterliegt. RWE wird den Strom nach eigenem Ermessen zu mir transportieren. Was sich allerdings geändert hat, ist die Zusammensetzung des produzierten Strommix in Deutschland. Der zu einem Drittel aus fossilen Energieträgern produzierte Strom der HSE wurde durch Ökostrom ersetzt. Natürlich muss man beachten, dass der Wechsel eines einzelnen Haushaltes dabei nicht wirklich ins Gewicht fällt und ein Großkraftwerk nun weniger Strom produziert. Jedoch machen sich die über 900 000 KundInnen der vier unabhängigen Ökostromanbieter (EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick, Naturstrom) doch bemerkbar, da sich diese Anbieter auch dazu verpflichten ihre Anlagen entsprechend der Zahl ihrer Kunden auszubauen.

Photovoltaikanlage in Berlin-Adlershof

Weiterhin eingeschränkter Wettbewerb
Nach den theoretischen Hintergründen zum Strommarkt ist es nun an der Zeit sich die tatsächliche Entwicklung des Wettbewerbs seit der Liberalisierung anzuschauen. Zurzeit gibt es in Deutschland knapp 1000 Energieversorger. Allerdings entfallen bei der Stromerzeugung weiterhin 80 Prozent der gesamten erzeugten Strommenge auf die Betreiber der Großkraftwerke E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall. Der Anteil der großen Vier ist seit 2000 dabei nur leicht rückläufig. Somit existiert zwar kein Monopol auf dem deutschen Strommarkt aber ein Oligopol mit vier marktbeherrschenden Anbietern. Dies hat zwei zentrale Gründe: Zum einen sind die deutschen Haushalte sehr träge, was den Stromanbieterwechsel betrifft. Lediglich 14 Prozent der deutschen Haushalte haben ihren Stromanbieter bisher gewechselt. Der Rest der Bevölkerung bezieht den Strom weiterhin im teuren Grundversorgungsvertrag oder hat mit dem Grundversorger einen speziellen Vertrag abgeschlossen. Im Schnitt ist der Strompreis bei einem Lieferantenwechsel um einen Cent pro Kilowattstunde günstiger als beim Grundversorger. Eine Familie mit 4000 Kilowattstunden Jahresverbrauch kann durch einen Wechsel sogar knapp 200 Euro einsparen, allerdings erhält man bei den günstigsten Anbietern meist keinen Ökostrom. Aber auch die generelle Marktstruktur verhindert einen wirklichen Wettbewerb, da viele Energieversorger über Beteiligungen und Tochterunternehmen mit den Atomkonzernen verflochten sind, so dass man trotz Lieferantenwechsels beim einem der Atomkonzerne landen kann. Die Preisentwicklung zeigt ebenfalls, dass noch lange kein Wettbewerb herrscht. Der Strompreis ist seit 2000 um durchschnittlich elf Cent gestiegen, wovon allerdings mehr als die Hälfte auf Steuererhöhungen zurückzuführen sind. Die restlichen 45 Prozent beruhen auf Stromerzeugung und Verteilung. Da die Netzentgelte seit der Regulierung durch die Bundesnetzagentur gesunken sind, zeigt dies, dass RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall für den Preisanstieg mitverantwortlich sind und ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen. In der gleichen Zeit verzeichneten die Atomkonzerne nämlich Milliardengewinne.

Wer wirklich weg von Atom- und Kohlestrom will, sollte zu einem der vier unabhängigen Ökostromanbieter wechseln und dadurch den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Nur dann ist sichergestellt, dass das Geld wirklich in Neuanlagen investiert wird. Mit den Hintergründen des Ökostroms werde ich mich nächste Woche im letzten Teil der Serie befassen.

Mittwoch, 6. April 2011

Der Weg zur erneuerbaren Energie: Teil 1 – Energieerzeugung

Seit dem Reaktorunfall in Fukushima bestimmt die Energiepolitik die politische Debatte. Die Landtagswahl in Baden-Württemberg und die zahlreichen Demonstrationen der vergangenen Wochen zeigen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung die Atomkraft ablehnt. In diesem und den beiden kommenden Posts werde ich die Hintergründe der Stromerzeugung und des Strommarkts analysieren.

Die moderne Zivilisation ist abhängig von Elektrizität. Licht, Computer, Ampeln, Züge und vieles mehr benötigen elektrische Energie. Was elektrische Energie und Strom sind, erklären am besten Physiker: hier, hier und hier. Die elektrische Energie kann auf verschiedene Arten gewonnen werden. Grundsätzlich kann dabei zwischen konventionellen und erneuerbaren Energieträgern unterschieden werden. Konventionelle Energieerzeugung durch Atomkraft und fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und -gas hat neben anderen drei zentrale Nachteile:
  1. Begrenzte Ressourcen (Uran, Kohle, Öl und Gas) werden benötigt um mit Hilfe dieser Techniken Strom zu gewinnen.
  2. Die Nutzung der Kernenergie geht mit einem enormen Risiko einher, was zu Katastrophen wie in Tschernobyl, Fukushima oder Harrisburg führen kann. Außerdem gibt es weltweit kein sicheres Endlager für den bei der Produktion entstehenden radioaktiven Müll.
  3. Fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas werden verbrannt um Strom zu produzieren, wobei vor allem klimaschädliches CO2 entsteht. Und auch Atomkraftwerke tragen nicht zum Klimaschutz bei, anders als uns das die Energiekonzerne weismachen wollen.
Das Satiremagazin Extra 3 vom NDR fasst das alles dann so zusammen:


Die Nachteile der Kernkraft und der fossilen Energiequellen können bei der Stromproduktion durch erneuerbare Energie weitestgehend ausgeschlossen werden, da hier die Nutzung des Energieträgers nicht zu Erschöpfung der Quelle beiträgt. Beispiele für regenerative Energieformen sind Wind-, Wasser- und Solarkraft sowie Erdwärme. Jedoch ist auch diese Form der Stromerzeugung nicht problemfrei.
  1. Die Energiegewinnung mit erneuerbaren Energien kann zu Umweltschäden führen. Bei der Wasserkraft können diese Eingriffe besonders schwerwiegend sein und Fisch- und Pflanzensterben durch Veränderungen des Flußbettes zur Folge haben. Windräder können zu Vogel- und Fledermausschlag führen.
  2. Ein massiver Umbau des Energienetzes wäre zur effizienten Nutzung der erneuerbaren Energien notwendig. Momentan ist das Netz auf zentrale Großkraftwerke ausgerichtet. Bei einem Ausbau der erneuerbaren Energien entstehen über ganz Deutschland verteilt eine Vielzahl kleinerer Kraftwerke, die an das Stromnetz angeschlossen werden müssen. Dafür sind entsprechende Investitionen notwendig.
  3. Zwar befürwortet die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung den Ausbau und den Umstieg auf regenerative Energien, jedoch kommt es beim Bau von Kraftwerken und nowendigen Hochspannungsleitung immer wieder zu regionalen Protesten. Diese betreffen aufgrund von Rotorengeräuschen und Schattenwurf besonders Windkraftwerke.
Technische und politische Lösungsansätze
Die meisten hier beschriebenen Nachteile lassen sich zumindest teilweise vermeiden. So können beispielsweise Fische unbeschadet durch verbesserte Turbinen schwimmen. Die gesellschaftliche Akzeptanz kann erhöht werden, indem vor und während der Planung die Bevölkerung eingebunden wird. Außerdem treten viele der genannten Probleme bei der Solarenergie nicht auf. Auch wäre der Umbau der Energienetze in den kommenden zwei Jahrzehnten problemlos machbar, wenn der politische Wille dafür da wäre. Bei der Bankenrettung 2008 konnten in kürzester Zeit Milliardenbeiträge bereitgestellt werden ohne das sich etwas Grundlegendes am Bankensystem geändert hat. Der Umbau des deutschen Energieversorgung wäre eine Zukunftsinvestionen, bei der sich die Kosten auf mehrere Jahrzehnte verteilen. Daneben würde sich diese Kosten recht schnell amortisieren, da auf teure Rohstoffimporte verzichtet werden könnte.

Erneuerbare sind überlegen
Aufgrund der fundamentalen Nachteile der konventionellen Stromerzeugung sind erneuerbare Energiequellen eindeutig vorzuziehen. Doch wie weit ist der Weg bis zur vollständigen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien?

Weltweit beträgt der Anteil der regenerativen Energien 19 Prozent, was vor allem an der Verbrennung von Biomasse wie Holz in Schwellen- und Entwicklungsländern liegt. In Deutschland muss die Herkunft des Stroms nach dem Energiewirtschaftsgesetz gekennzeichnet werden. 2009 wurden demnach 17 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energieformen, ein Viertel aus Kernenergie und die übrigen 58 Prozent aus fossilen und anderen Energieträgern gewonnen. Laut der Leitstudie des Bundesumweltministeriums wäre es realistisch die Kernenergie bis 2020 komplett durch erneuerbare Energien zu ersetzten und bis 2050 weitestgehend die gesamte Stromversorgung durch erneuerbare Energien bereitzustellen.

Druck auf Politik und Wirtschaft
Somit wird deutlich, dass zumindest in Deutschland der Weg zu den erneuerbaren Energien möglich und machbar ist. Alles was es dafür braucht, ist der politische Wille zum Handeln. Dafür brauchen wir den Druck an den Urnen und auf den Straßen. Aber auch die Abstimmung über die Stromrechnung kann dazu beitragen, den Strommarkt in die Richtung der regenerativen Energien zu lenken. Der nächste Post wird sich deshalb genauer mit dem Strommarkt befassen.

Quelle: Anti-Atom Demo auf Flickr