Mittwoch, 30. März 2011

Eine andere Politik ist möglich – Merkels Versagen als Chance nutzen

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigen deutlich: Schwarz-gelb ist gescheitert. Merkel hat keine Visionen für das Land und die FDP ist nicht regierungsfähig. SPD, Grüne und Linke sollten diese Schwächen nutzen und an einem Bündnis für dauerhafte ökologische und soziale Reformen arbeiten.

Seit anderthalb Jahren sind Union und FDP in der Regierungsverantwortung. Schaut man sich das Ergebnis dieser Zeit an, so fällt das Zeugnis beschämend aus. Bereits im Bundestagswahlkampf 2009 warf Franz Müntefering Kanzlerin Merkel vor, sie besäße »kein Herzblut, keine Begeisterung, keine Vision«. Er hat recht behalten. Der Kanzlerin fehlt jeder Wille ihrer Regierung eine Linie, eine Handschrift zu geben.

Während Rot-grün mit der ökologischen Steuerreform und dem Atomausstieg bereits zu Beginn der ersten Legislaturperiode zentrale Projekte anstieß, herrscht bei Merkel und Westerwelle Stillstand. Die zentrale Wahlkampfforderung der Liberalen nach Steuersenkungen war nach wenigen Wochen vom Tisch. Bei der Gesundheitsreform setzte Rösler die Flickschusterei der Vorgängerregierung fort. Ein großer Wurf sieht anders aus. Die von zu Guttenberg angestrebte Bundeswehrreform wurde durch de Mazière erst mal wieder gestoppt. Die Liste ließe sich leicht fortsetzen. Einzig die von Niebel eingeleitete Fusion der für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Organisationen GTZ, InWent und DED kann hier auf der Habenseite verbucht werden, auch wenn sie umstritten ist.

Als die Kanzlerin im vergangenen September den »Herbst der Entscheidungen« ankündigte, wollte sie ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen und die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke durchboxen. Ein halbes Jahr später ist aus dem Herbst der Entscheidungen das Frühjahr des Versagens geworden. Nach der Naturkatastrophe in Japan und dem GAU in Fukushima machten die WählerInnen am vergangenen Sonntag deutlich, was sie von der Energiepolitik der Bundesregierung halten: nichts. Aber auch Westerwelle hat sein Scheitern als Außenminister bei der UN-Resolution zur Libyen-Krise eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die Enthaltung der Bundesrepublik isoliert Deutschland außenpolitisch. Westerwelle hat sich zuvor in Kairo feiern lassen und als einer der ersten westlichen Politiker Gaddafis Rücktritt gefordert. Als es aber ernst wurde, war er nicht zur Stelle. Bei seiner ersten außenpolitischen Reifeprüfung ist er durchgefallen.

Trotz der unmittelbar daraus resultierenden Wahlschlappen wird die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode weitermachen. Vielleicht werden ein, zwei Minister ausgetauscht, aber große Projekte sind wohl nicht zu erwarten. Dafür haben die schwarz-gelben Wunschpartner zu wenig gemein.

Doch Merkel weiß, dass die FDP langfristig als Mehrheitsbeschafferin wegfallen könnte, weshalb sie ihre Fühler zu den Grünen ausstrecken wird. Diese fordern seit mehr als 30 Jahren den Atomausstieg und lehnen Stuttgart 21 seit dem Beginn der Planungen ab und wurden mit historischen Wahlergebnissen und der Regierungsbeteiligung in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz belohnt, in Sachsen-Anhalt mit dem Wiedereinzug in den Landtag.

Dieser Höhenflug könnte ein jähes Ende finden, wenn die Grünen verstärkt Koalitionen mit der Union suchen. Dieses Experiment ist bereits in Hamburg gescheitert. Stattdessen wäre es nun an der Zeit, dass das linke Lager von SPD, Grünen und Linkspartei enger zusammenrückt. Dazu gehört eine konsequente Absage der Grünen an die Union und die Aussöhnung der SPD mit der Linkspartei. Gerade die Regierungsarbeit in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zeigt, dass diese Beziehung gut funktionieren kann. Außerdem müsste die Linkspartei Debatten der Vergangenheit wie die »Wege zum Kommunismus« beenden und ihre Führungskrise lösen. Mit einem starken rot-grünen Bündnis - ergänzt um ein linkes Korrektiv - wären nachhaltige, ökologische und soziale Reformen wie der Einsteig ins Zeitalter der erneuerbaren Energien oder die Einführung von Bürgerversicherung und Mindestlohn möglich. Die Parteien links der Mitte sollten die Schwäche der Union und die existenzielle Krise der FDP nutzen um ihre gemeinsamen Ziele durchzusetzen, anstatt sich weiter gegenseitig zu bekämpfen oder sich mit sich selbst zu beschäftigen.